Hirtenwort zum weltweiten synodalen Prozess

HIRTENWORT
zur Eröffnung des synodalen Prozesses der Weltkirche „Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“ am 17. Oktober 2021 im Bistum Görlitz

Liebe Schwestern und Brüder!

Am vergangenen Sonntag, dem 11. Oktober 2021 hat Papst Franziskus für die gesamte Kirche einen synodalen Prozess eröffnet. Dieser Prozess soll im Jahre 2023 in eine Weltbischofssy- node münden. Das ist etwas Neues und noch Ungewohntes für uns. Erstmalig beginnt eine Bischofssynode direkt mit einem Austausch der Gläubigen in den verschiedenen Ländern. Darum wende ich mich heute an Euch, liebe Schwestern und Brüder, in unserem Bistum und insbesondere an die Priester und alle Verantwortlichen für die Pastoral, um mit Euch gemeinsam diesen Prozess zu eröffnen.

Das Wort „Synode“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „zusammen einen Weg gehen“. Gemeint ist damit der Weg der Kirche und der Weg des Glaubens jedes einzel- nen Christen. Jede Zeit bringt neue Fragen und Herausforderungen mit sich. Darum bedarf es immer wieder auch der gemeinsamen Vergewisserung des Glaubens und der gegenseitigen Stärkung. Das Wort „Synode“ deutet auf den Weg hin, den das Volk Gottes geht und verweist zugleich auf Jesus, der von sich selbst sagt: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6).

Wir dürfen uns auch daran erinnern, dass die ersten Christen in der Apostelgeschichte die „Anhänger des Weges Jesu“ genannt werden (vgl. Apg 9,2).
Mit dem Bild des Weges erinnert uns der Heilige Vater an einen Stil, der das Leben und die Sendung der Kirche ausmacht. „Synode“ ist darum nicht nur eine Veranstaltung, die auch wieder vorübergeht, es ist die Weggemeinschaft des Volkes Gottes. Dafür brauchen wir eine bestimmte Haltung, die in diesem Prozess eingeübt werden soll.

Grundsätzlich kennen wir das aus unseren Gemeinden und kleinen christlichen Gemeinschaften: Wenn wir zusammen kommen in den Gruppen der Pfarreien oder bei Wallfahrten im Bistum, stärken wir uns gegenseitig, teilen miteinander Freude und Leid und suchen nach Wegen, wie der Glaube heute gelebt werden kann.
Das Neue ist, dass Papst Franziskus eine solche Übung des gemeinsamen Gehens, einen sy- nodalen Prozess, erstmalig für die gesamte Kirche möchte. Alle Teilkirchen sollen ihre guten aber auch schwierigen Erfahrungen von Synodalität zusammentragen. Im kommenden Jahr werden diese Erfahrungen durch die Bischofskonferenzen gebündelt und auf die Ebene der Kontinente gehoben. Im Jahre 2023 wird dann eine Weltbischofssynode mit dem Heiligen Vater gemeinsam alle Fragen des synodalen Stils im Leben der Kirche beraten.

Der synodale Prozess für die Weltkirche hat drei Dimensionen, die hier kurz vorgestellt wer- den sollen.

1. GEMEINSCHAFT – Communio

Gott führt in der Kirche verschiedene Völker in einem Glauben zusammen. Die Kirche ist katholisch und damit eine weltweite Gemeinschaft. Wir freuen uns gerade hier im Osten Deutschlands darüber, dass unsere Gemeinden seit der Wiedervereinigung Deutschlands und der Öffnung der Grenzen durch katholische Christen aus anderen Ländern bereichert worden sind. Die Gemeinschaft der Gläubigen untereinander entsteht durch das Sakrament der Taufe. Dadurch sind wir eingefügt in das pilgernde Volk Gottes. Darum können auch alle in dieser Gemeinschaft einen Beitrag dazu leisten, wenn es darum geht, den Ruf Gottes für sein Volk in dieser Zeit zu erkennen. Aus dem gemeinsamen Glauben erwächst eine Haltung des gemeinsamen Gehens. Das ist eine synodale Haltung, die jetzt in der Kirche wachsen soll.

2. TEILHABE – Partizipation

Die heutigen technischen Möglichkeiten erlauben es, dass viele sich beteiligen können – auf der Ebene der Gemeinde, der Diözese und der ganzen Kirche. Gemeint ist damit, zunächst das gegenseitige intensive und respektvolle Zuhören zu üben. Wir sollen einen Raum schaffen, in dem wir die Stimme des Heiligen Geistes vernehmen. Er will uns den Weg weisen für eine Kirche im dritten Jahrtausend.

In einer synodalen Kirche, in der nicht nur Priester und Bischöfe sprechen, sondern jeder mit seinen Gaben befähigt und berufen ist, etwas beizutragen, wächst das Bewusstsein dafür, dass wir gemeinsam Kirche sind. Teilhabe bedeutet, dass wir zusammengerufen sind, „um zu beten, zu hören, zu analysieren, miteinander zu sprechen, zu unterscheiden…(und) um die pastoralen Entscheidungen zu treffen“, die Gottes Willen am besten entsprechen. Dieses ge- genseitige Hören wird den Reichtum des Glaubens und selbstverständlich auch die Fragen unserer Zeit zutage fördern. Papst Franziskus wünscht, dass besonders Menschen am Rande gehört werden, ja wenn möglich auch jemand, der die Kirche verlassen hat.

3. SENDUNG – Mission

Die Kirche darf niemals Nabelschau betreiben. Sie ist dazu da, dass Evangelium ansteckend zu verbreiten und anderen Menschen den Glauben vorzuschlagen und sie zur Nachfolge Jesu einzuladen. Der synodale Prozess soll die ganze Kirche mehr zu diesem Auftrag befähigen. Durch die Firmung sind wir alle berufen, Zeugen für Christus zu sein. Wer seinen Glauben versteckt oder sich dessen schämt, der verrät diesen Auftrag. Gerade Ostdeutschland ist einer der Landstriche Europas, in dem es die wenigsten Christen gibt. Das darf uns nicht entmutigen oder gar gleichgültig werden lassen. Es ist eine Herausforderung, die der Herr uns zumutet. Es ist eine Gewissensfrage für jeden von uns: Wünsche ich ehrlichen Herzens, dass mein nichtchristlicher Kollege oder die Nachbarin im Haus Christus und seine Kirche kennenlernt? Mit dieser Sehnsucht im Herzen kann jeder Weg mit unseren Zeitgenossen zu einer Gottesberührung werden.

Liebe Schwestern und Brüder,
mit diesem Brief lade ich Sie ein, sich an diesem weltweiten Prozess zu beteiligen, den Papst Franziskus ausgerufen hat. Das soll bis zum Ende des Jahres bei verschiedenen Gelegenheiten geschehen, bei denen Sie gemeinsam auf dem Weg sind: in den verschiedenen Gruppen der Pfarrei und den gewählten Gremien, in den Gebetskreisen und diakonischen Versammlungen. Ich rege an, auch Mitchristen einzuladen, die sich nicht regelmäßig in einer festen Gruppe engagieren. Die Fragen für das Gespräch werden auch auf der Homepage unseres Bistums veröffentlicht, so dass auch Einzelne sich äußern können. Meine Aufgabe als Bischof wird es sein, die Antworten aus den Pfarreien und von einzelnen Gläubigen zu sammeln und zusammen zu fassen. Im Frühjahr des kommenden Jahres soll dann daraus eine gemeinsame Antwort aus den deutschen Diözesen entstehen, die wir in den synodalen Prozess einbringen und dem Heiligen Vater ans Herz legen. Die Bischofssynode 2023 beginnt damit jetzt mitten unter uns in unseren Pfarreien und Gemeinschaften.

Der Papst lädt ausdrücklich dazu ein, die Fragen zu besprechen, die dem eigenen Bistum und der eigenen Umgebung am besten entsprechen. Aus seinen Vorschlägen habe ich für unsere Diözese drei Felder ausgewählt:

1. Den Weggefährten zuhören

Mit wem gehen wir wirklich gemeinsam den Weg des Glaubens? Wer sind diejenigen, die abseitsstehen, die außen vor bleiben? Warum stehen sie am Rande?
Wie spricht Gott zu uns durch Stimmen, die wir mitunter ignorieren? Was erleichtert oder erschwert uns das Zuhören und die Offenheit für unsere Weggefährten?

2. Mitverantwortung und Teilhabe an der gemeinsame Sendung

Was hindert die Getauften daran, sich an der Sendung der Kirche zu beteiligen? Wo müssen wir für mehr Teilhabe (Partizipation) sorgen und sie ermöglichen? Wo braucht es Unterstützung für diejenigen, die sich beteiligen wollen, aber es sich nicht zutrauen? Wie gut funktionieren unsere gewählten Gremien, die eine synodale Kirche repräsentieren? Was können wir verbessern?

3. Die Quelle aller Mission – die Feier der Liturgie

Wie spiegelt sich in allen unseren Gottesdiensten (nicht nur in der Messfeier am Sonn- tag, sondern auch bei den Feiern der Sakramente), dass wir mit vielen in unserer Gesellschaft auf dem Weg sind? Wie fördern wir die aktive Teilnahme der Gläubigen an der Liturgie? Welche Rolle spielen das gemeinsame Gebet und die Liturgie bei wichtigen Entscheidungen unserer Gemeinde?

Liebe Schwestern und Brüder,
Papst Franziskus hat eine große Vision: er möchte, dass unsere Kirche tiefer von einem „Wir“ geprägt wird und dass wir uns mehr als Weggefährten verstehen. Jeder Getaufte und Gefirmte, die gottgeweihten Frauen und Männer in den Orden, wie auch die für den Dienst am Volk Gottes geweihten Diakone, Priester und wir Bischöfe – sie alle haben einen „Instinkt des Glaubens – den sensus fidei – der ihnen hilft, das zu unterscheiden, was wirklich von Gott kommt.
Das gerade macht den Reichtum einer synodalen Kirche aus und kann uns als Gemeinschaft anziehender und lebendiger machen. Dass dabei nun alle katholischen Christen auf der Erde zu einem solchen Weg eingeladen sind, wird uns neu bewusst machen, dass wir eine welt- weite Kirche sind, die geeint ist in der Anbetung des dreifaltigen Gottes.
Ich lade Euch ein, diesen synodalen Prozess mit Eurem Gebet zu begleiten, damit wir ganz geöffnet werden für den Weg, den der Herr seiner Kirche im 21. Jahrhundert zeigt. Empfehlen wir unsere Kirche der Mutter des Herrn, die mit den Aposteln im Abendmahlssaal um den Heiligen Geist gebetet hat.

Zu diesem gemeinsamen Weg segne Euch der allmächtige Gott, der Vater + und der Sohn und der Heilige Geist.

Euer Bischof + Wolfgang

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