Fastenhirtenbrief „Im Glauben Brücken bauen“

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!
Am Beginn der Fastenzeit erklingt das erste Wort Jesu, das er im Evangelium nach Markus spricht: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“. Dieser Satz ist wie ein cantus firmus des ganzen Evangeliums. Es ist die Grundmelodie christlichen Lebens, die wir in jedem Jahr in den 40 Tagen vor Ostern neu einüben und vertiefen. Ohne Umkehr und die Bereitschaft zu einem ernsthaften Neuanfang wird unser christliches Leben blass und oberflächlich. Es kann sich unbemerkt eine Erosion des Glaubens und gefährliche Gleichgültigkeit einschleichen.
Darum ist die jährliche österliche Bußzeit ein Geschenk und eine Chance, dem eigenen Glauben neues Profil zu geben und ernsthafter Christ zu sein.

Ich möchte das Jahresthema unseres Bistums zu Hilfe nehmen und daraus einige Anregungen für die Gestaltung der Fastenzeit geben. „Im Glauben Brücken bauen“ – haben wir als Überschrift über das Jahr 2024 gewählt, das auch ein Jahr der Vorbereitung und Einstimmung auf das Heilige Jahr 2025 sein wird. Papst Franziskus hat darum am Sonntag, dem 21. Januar ein „Jahr des Gebetes“ ausgerufen, in dem wir alle unsere Gottesbeziehung anschauen und erneuern sollen, ein „Jahr der Wiederentdeckung des großen Wertes und der absoluten Notwendigkeit des Gebets im persönlichen Leben.“ (Ansprache von Papst Franziskus beim Angelus am 21.01.2024) Es geht letztlich um die Befestigung der Brücken, die unseren Glauben ausmachen.

  1. Gott baut Brücken zu uns
    Die erste Brücke hat Gott zu uns Menschen gebaut. Er hat Noach im Zeichen des Regenbogens versichert, dass er nach der großen Flut immer darauf aus sein wird, den Menschen zu retten und ihm das Heil anzubieten. Dann aber wählt Gott den alles entscheidenden Weg – er wird selbst Mensch und teilt unser irdisches Leben. „Er hat wie wir als Mensch gelebt, in allem uns gleich außer der Sünde“, heißt es im vierten Hochgebet der Hl. Messe.
    Diese Brücke von Gott zu uns wird nie mehr abgebrochen. Die Gemeinschaft der Kirche sorgt dafür, dass diese Brücke sichtbar bleibt – das hat der Herr ihr aufgetragen. Die Kirche ist das große Zeichen dafür, dass Gott seiner Zusage treu bleibt und die Brücke zu uns nie abreißen wird. In seinem Wort, das in der Heiligen Schrift aufbewahrt ist und in den Sakramenten wird diese Treue Gottes sichtbar. Am Ende unseres Lebens – so glauben wir – dürfen wir einmal zuversichtlich der Einladung Gottes folgen und ihm entgegen in das österliche Leben gehen. So baut Gott eine Brücke aus diesem irdischen Leben hin in das bleibende, ewige Leben in der großen Gemeinschaft der Heiligen.
  2. Der Mensch als Brückenbauer
    Gott hat es uns vorgemacht. Jetzt gilt es, mit ihm gemeinsam Brücken zu bauen. Dazu sind wir eingeladen. Was ist damit gemeint? Ich möchte einige Wege zeigen, wie wir als Christen zu Brückenbauern werden können.
    Jedes Jahr am Aschermittwoch werden uns in einem Abschnitt aus der Bergpredigt Jesu die drei wichtigsten Übungen der Fastenzeit ans Herz gelegt: Fasten – Almosengeben – Gebet. Hinter diesen drei Worten verbergen sich Haltungen Gott und den Menschen gegenüber. Es sind drei Äußerungen der Frömmigkeit, zu denen Jesus einlädt und die dem Menschen helfen sollen, mit Leib und Seele, wahrhaftig und ehrlich seinen Glauben zu leben.

Das Fasten ist eine Übung des Verzichtes auf ganz verschiedenen Ebenen. Der Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel lehrt zum Beispiel eine neue Wertschätzung von Essen und Trinken und erinnert uns zugleich an Menschen, die nicht genug zum Leben haben. So gesehen ist es auch eine Übung der Solidarität.
Die Einschränkung eines übermäßigen Medienkonsums schafft Freiräume und Zeit für das Gespräch miteinander oder auch für Dinge, die die eigene Seele reicher machen.
Der Verzicht auf vorschnelles Urteilen über andere Menschen oder böses Geschwätz wirkt sich reinigend auf das Klima untereinander aus und trägt zu einer positiven Perspektive bei.
Fasten ist immer eine Übung des Maßhaltens. Im Verzicht will der Mensch eine neue Balance für sein Leben, die gesunde Mitte, wieder gewinnen.

Suchen wir in den kommenden Wochen unsere ganz konkrete Form des Fastens – es ist die Brücke zu einem ganzheitlichen Glauben. Fasten ist Gottesverehrung mit Leib und Seele.
Beim Almosengeben nehmen wir unsere Mitmenschen in den Blick. Wer gibt, überwindet die Angst, selbst zu kurz zu kommen.
Trotz Inflation und mancher Preissteigerung leben wir in einer Wohlstandsgesellschaft und sind in der Regel gut abgesichert. Wer teilt und von dem Seinen abgibt, trägt etwas bei zu gerechteren Verhältnissen in der Welt. Unsere Gabe soll mithelfen, dass andere Menschen in Würde leben können und dass ihnen in Notlagen geholfen werden kann.
Mit der großen Fastenaktion für MISEREOR am 5. Fastensonntag bauen wir eine Brücke des Erbarmens hin zu den Vielen, die weniger haben als wir. Ich empfehle ausdrücklich, auch unsere Kinder und Jugendlichen dazu anzuleiten, von ihrem Ersparten etwas abzugeben und mit kleinen Schritten die Bereitschaft, mit den Ärmeren zu teilen, einzuüben.
Das Almosengeben ist ein Heilmittel gegen den Egoismus. „Geben ist seliger als nehmen“, zitiert Lukas in der Apostelgeschichte ein überliefertes Herrenwort. Diese Seligkeit sollte jeder Mensch am eigenen Leib erfahren dürfen.

Als dritten Auftrag nehmen wir in diese österliche Vorbereitungszeit mit, das eigene Gebet zu vertiefen und zu erneuern. Es ist die wichtigste Brücke zu Gott und der Ernstfall unseres Glaubens.
Fragen wir uns ehrlich: Haben wir wirklich keine Zeit morgens und abends zu beten und für drei Minuten bei Gott zu verweilen? Oder haben wir es uns nicht einfach abgewöhnt und sind gleichgültig geworden nach dem Motto „Es geht auch ohne!“ Lebt in uns noch die Sehnsucht, mit Gott sprechen zu können und auch einmal neue Weisen des Betens zu entdecken und einzuüben?
In Dank und Lobpreis, in Bitte und Fürbitte drücken wir unser Vertrauen Gott gegenüber aus und lassen die Brücke zu ihm nicht morsch werden oder gar zerbrechen.
Ich freue mich sehr, dass die Zisterzienser in Neuzelle mit der Emmausvigil für die Erwachsenen und der Jugendvigil in größeren Abständen zu Zeiten des Gebetes und der Anbetung einladen und viele Menschen diese Einladung auch annehmen. Das spricht dafür, dass es auch eine neue Suche nach geistlichem Leben gibt. Aber auch die Angebote in unseren Pfarreien – die Kreuzwegandacht, die Werktagsmesse, die Gebetsgruppe oder der Bibelkreis – wollen uns helfen, die Beziehung zu Gott zu vertiefen.
Als Anregung für das persönliche Beten am Morgen und am Abend empfehle ich Ihnen ein Gebet, das mir persönlich sehr lieb geworden ist. Sie finden es auf dem Gebetsbildchen, das Sie nach der Hl. Messe mitnehmen können. Diese beiden kleinen Gebete prägen sich leicht ein und sind eine einfache tägliche Brücke zu Gott.

Liebe Schwestern und Brüder,
die österliche Bußzeit ist die kostbare Einladung, die Brücken des Glaubens zu befestigen.
Das tun wir
– im Fasten und im Verzicht auf Erlaubtes, um unseren Leib mit hineinzunehmen in unseren Glauben;
– im Almosengeben, um dem eigenen Glauben mehr Barmherzigkeit und die Bereitschaft zum Teilen zu verleihen;
– und im Gebet, um Gott wieder den Platz zu geben, der ihm gebührt und ihn im Alltag nicht zu vergessen.
So wollen wir in den kommenden 40 Tagen den Ruf Jesu ernst nehmen, der an diesem Sonntag im Evangelium erklungen ist: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ und Schritte der Erneuerung unseres Glaubens einleiten.
In meinem Hirtenbrief konnte ich einiges, wie Sie bemerkt haben, nur andeuten. Ich würde mich deshalb freuen, wenn Sie im Gespräch in den verschiedenen Gruppen der Gemeinde manches davon miteinander besprechen und vertiefen. Dann bauen Sie eine Brücke im Glauben zu anderen Mitchristen und sind dabei durch das Zeugnis anderer Menschen selbst reicher geworden.

Ich wünsche uns allen eine fruchtbare österliche Bußzeit, die unser aller Herz bereitet für die Freude des kommenden Festes.
Dazu segne euch der allmächtige Gott, der Vater + und der Sohn und der Heilige Geist. Amen.

Euer Bischof
+ Wolfang

Foto: Stift Heiligenkreuz

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